Streit um das Quellwasser auf dem Bühl Ob unsere Bühlquelle wohl wirklich schon von den Römern angezapft und Richtung Lenzburg (Hornerfeld) geleitet worden ist, kann ich nicht mit Sicherheit beantworten. Möglich wäre es … und der Gedanke, dass bereits vor über 2000 Jahren Menschen von diesem Wasser trinken, Felder bewässern oder sich gar in den römischen Bädern damit waschen konnten, ist faszinierend. Im 18. Jahrhundert schliesslich tritt die Bühl-Quelle auf jeden Fall mit lautem Getöse in unsere Dorfgeschichte: nämlich mit einem Rechtsstreit. Marx Senn aus Hendschiken, der auf dem damals noch unbewohnten Bühl etwas Land besass, soll dort 1770 ein „Brünnlin“ gegraben haben, um sein Vieh zu tränken und sein Ackerland zu bewässern. Dieses Vorgehen erregte bei der Gemeinde Anstoss und Senn wurde aufgefordert (mittels „Revers“), das Ganze wieder rückgängig zu machen, denn die Gemeindebehörde befürchtete Nachteile für die kommunale Trinkwasserversorgung und die Wässerung der Matten.
Als dann eben dieser Marx Senn 1774 bei der Gemeinde ein Baugesuch einreichte oder in der damaligen Sprache: sich für ein Feuerstatt-Recht bewarb, lehnte die Gemeinde sein Ansinnen ab. Doch Senn liess sich nicht beeindrucken und gelangte in zweiter Instanz an den Rat der Stadt Bern, welcher ihm das Recht zusprach, auf dem Steigholz gelegenen Zelgli ein Haus zu bauen. In einem Schreiben hebt Senn hervor, dass ihm dieses Vorgehen „seine Gemeinde nicht zur Freundin“ machte! Nichtsdestotrotz baute er 1775 ein Strohhaus auf seinem Land, und es erstaunt wohl kaum jemanden, dass schon bald der nächste Wasserstreit mit der Gemeinde ausgefochten wurde!
Verschmutzung bedeutet das vorläufige EndeEtwas mehr als hundert Jahre später (1898) wurde die Quelle auf dem Bühl gefasst und versorgte bis 1923 (Bau des Grundwasserpumpwerks Brunnenmatten) als einzige Quelle die Hendschiker Bevölkerung mit Trinkwasser. Im Jahr 1963 fand die Geschichte der Quelle Bühl dann ein abruptes Ende: Fäkalien hatten das Wasser verschmutzt, sodass das Trinkwasser nicht mehr den kantonalen Anforderungen entsprach. Dem damaligen Gemeinderat blieb nichts anders übrig, als den Wasserhahn auf dem Bühl zuzudrehen. Die Grundwasserpumpwerke Brunnenmatten und Grundacker (1968) übernahmen in der Folgezeit die Wasserversorgung des Dorfes. Doch damit ist die Geschichte der Bühlquelle noch nicht zu Ende geschrieben, denn obwohl der Wasserhahn auf dem Bühl abgestellt blieb, war das Wissen um das Wasservorkommen immer noch vorhanden in der Dorfbevölkerung. Neuer StreitBevor die Pläne für eine Sanierung der Quelle der Gemeindeversammlung vorgelegt werden konnten, war schon ein neuer Rechtsstreit auf dem Bühl entfacht und wiederum ging es um ein Bauvorhaben und um Wasser, d.h. Gesetze und Schutzzonen. Ein langes und für die Gemeinde teures Verfahren begann und endete schliesslich damit, dass die Gemeinde das Gerberhaus* und das umliegende Land erwarb und die Schutzzonen rechtskräftig verfügt wurden. Kern des Streits waren unterschiedliche Auffassungen über Rechte und Pflichten, welche auf diesem Grundstück bezüglich Wassernutzung und Wasserschutz lagen. Nach den jahrelangen Verhandlungen und Prozessen war man sich bald einig, dass das gute und reichlich vorhandene Wasser auf dem Bühl wieder für die kommunale Wasserversorgung genutzt werden sollte. So wurden das 1996 in Auftrag gegebene Projekt der Quellsanierung wieder aus der Schublade geholt, überarbeitet und angepasst. *Das Gerberhaus wurde von den Einheimischen benannt nach dem letzten Bewohner dieser Liegenschaft Hans Gerber (geb. 1921). Gerber war ein etwas schrulliger Kleinbauer, welcher über die Geschichte seiner Liegenschaft sehr gut informiert war. Er war überzeugt, in Form von Tonziegeln einige Spuren einer römischen Wasserleitung gefunden zu haben. Für seine Vermutung spricht, dass die Lenzburger Römersiedlung Siedlung auf eine Wasserversorgung angewiesen war; das Gefälle ab dem Bühl hätte den Transport erleichtert. Das Redaktionsteam wird bei der kantonalen Archäologie noch abklären, wie weit die Vermutung Gerbers aus wissenschaftlicher Sicht Bestand hat. (Anmerkung: J.Brogli) Bald wieder sauberes Wasser ab dem BühlNach der wechselvollen Geschichte der Quelle auf dem Bühl fand das Ganze mit der Zustimmung der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger (2009) zum Verpflichtungskredit zur Sanierung der Quelle ein vorläufig glückliches Ende. Im April 2010 wurden das ehemalige Gerberhaus abgerissen, Leitungsgräben gezogen, die Quellfassungen saniert und eine neue Brunnstube gebaut. Bereits anfangs August 2010 konnte die „neue-alte“ Quelle feierlich eingeweiht werden. Das Wasser wird vorläufig noch in den Krebsbach geleitet und soll noch im Herbst ins Netz eingespiesen werden, falls die mikrobiologischen und chemischen Trinkwasseruntersuchungen nicht dagegen sprechen.
Das Wasser der Quelle Bühl wird einen bedeutenden Teil der Wasserversorgung von Hendschiken übernehmen und die Bevölkerung mit qualitativ hochwertigem Wasser versorgen. Die Quelle stellt aber nicht nur in qualitativer, sondern auch in quantitativer Hinsicht einen Segen dar, denn Messungen haben ergeben, dass der mittlere Quellertrag bei rund 100m3/Tag liegt, während der mittlere Verbrauch von Hendschiken zwischen 220 und 240m3/Tag beträgt. Zudem kommt der Quelle auch eine grosse Bedeutung als „Notwasserlieferantin“ zu, da sie ohne Fremdenergie funktioniert. Wasser, von dem wir alle wissen, wie knapp und somit wertvoll (oder auch teuer !!!) es in Zukunft werden kann, ist mit Sicherheit eine grosse Investition wert und ich hoffe, dass die Geschichte der Quelle Bühl noch lange und vor allem ohne Konflikte weitergeht.
Hendschiker Wasserversorgung 2009: Die Wasserqualität wird laufend untersucht und alle im Jahr 2009 untersuchten Proben entsprachen ausnahmslos den chemischen und mikrobiologischen Anforderungen der Lebensmittelgesetzgebung, soweit das Wasser in das Netz eingespiesen wurde. Herkunft des Hendschiker Trinkwassers 2009: - 94,9% Quellwasser Brunnmatt - 4,5% Grundwasser Grundacker - 0,6% Grundwasser (Bezug von Wohlen)
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