Nomen est omen
Haben Sie sich schon einmal gefragt, wieso die Familie Meier bei uns im Dorf „s’Spregels“ genannt wird oder was zum Beispiel der Familiennamen „Zobrist“ wohl bedeutet? Diesen Fragen wollen wir uns im Folgenden annähern. Vielleicht entdecken Sie die eine oder andere Überraschung...
Familiennamen (allgemein)
Familiennamen sind geschichtlich gesehen etwas Junges, denn während Jahrhunderten genügte ein Vorname, um jemanden zu bezeichen oder zu rufen. Genau so ist es mit den Familienwappen: Ein Wappen zu führen war nur der Oberschicht erlaubt (Adlige, Zunftmitglieder, hohe Geistliche). Wenn heute viele Familien stolz sind auf ihr Familienwappen, so ist dieses in der Regel nicht älter als 200 Jahre, weil erst nach der Französischen Revolution auch die „ganz Gewöhnlichen“ das Recht auf ein Wappen hatten; der Adel war ja nach 1789 abgeschafft worden, jetzt durften sich alle dieses ehemalige Privileg leisten.
Der Familienname dient im allgemeinen zur besseren Unterscheidbarkeit von Personen mit demselben Vornamen in einer Gemeinschaft (Quartier, Dorf, Stadt). Reichte im Mittelalter noch die Bezeichnung Friedrich von Hendschiken, so mussten die Namensbezeichnungen im Zuge des Bevölkerungswachstums differenzierter werden. Vor allem in Städten, die im Mittelalter einen grossen Aufschwung erlebten, genügte die Angaben Hans von Lenzburg nicht mehr, da in einer Stadt mehrere Personen leben konnten, die denselben Vornamen führten. Also wurden zur klaren Unterscheidung zusätzlichen Angaben nötig, z. B. der Vornamen des Vaters und auf diese Weise wurde aus dem Hans von Lenzburg dann z.B. Hans Sohn des Heinrich aus Lenzburg. Aber auch der eigene Beruf oder derjenige des Vaters (Fischer, Müller, Schmid, Zimmermann) konnte zur Unterscheidung angefügt werden. In anderen Fällen kann der spätere Familiennamen direkt auf eine Besonderheit oder ein Charakteristikum einer Person (z.B. Klein, Lang, Dick,Rot oder auch Burri von burren=zanken) zurückgeführt werden. Häufig war aber auch die Herkunft (Basler, Berner, Zürcher) oder der Wohnort (Bühler von Bühl=Hügel; Amstad von Stad=Ufer) ausschlaggebend für den späteren Familiennamen.
Und so gibt es Familiennamen, die sich auf einen Personennamen (Friedrich, Pauli, Walter oder Werner), auf eine Berufsbezeichnung (Metzger, Bauer, Seiler), einen „Übernamen“ , eine regionale Herkunft (Elsasser, Schwab)oder einen Wohnort (Hilfiker, Glarner, Basler) zurückführen lassen.
Hendschiker Familiennamen
Wenn Sie jemanden fragen, welches denn ein typischer Hendschiker Familienname sei, so werden Sie mit Sicherheit „Zobrist“ zur Antwort erhalten. Dieser Familienname kommt bis heute in unserem Dorf sehr häufig vor. Aktuell sind 43 Zobrist (Kinder und Erwachsene) in Hendschiken wohnhaft.
Schon vor dem 18. Jahrhundert besassen das Hendschiker Bürgerrecht Ackermann, Aeschbach, Baumann, Hilfiker, Hunziker, Häusler, Meier, Schmid, Schwander und Senn. Sie zählen somit zu den ältesten Hendschiker Geschlechtern. Im 19. Jahrhundert erlangten das Hendschiker Bürgerrecht die Familien Amsler (1891 aus Schinznach Dorf), Bodmer, Eichenberger (1884 aus Burg AG) und Sorg (1893 aus Deutschland). Im 20. Jahrhundert, im Zuge von weiteren Einbürgerungen, wird die Liste noch um folgende Namen erweitert:
Appl
Babuska
Bühner
Förster
Jordi
Lattion
Lüem
Mayer
Mengozzi
Notter
Spalt
Welte
Wettmann
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(1933, aus der Tschechoslowakei)
(1977/1981, aus der Tschechoslowakei)
(1937, aus Deutschland)
(1942, aus Deutschland)
(1954, aus Dürrenroth BE)
(1955, Herkunft unbekannt)
(2001)
(1925, aus Österreich)
(1955, aus Italien)
(1941, Herkunft unbekannt)
(1926, aus Österreich)
(1915, aus Deutschland)
(1953, aus Deutschland)
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Bei Baumann, Hilfiker oder Schmid lässt sich der Ursprung des Namens ohne weiteres erkennen und deuten (Beruf, Herkunft). Bei anderen Familiennamen wie z.B. Zobrist ist der Ursprung oder die Herkunft des Wortes nicht offensichtlich.
Zobrist kommt von „zu oberst“
Gemäss Jean Jacques Siegrist handelt es sich beim Namen „Zobrist“ ursprünglich um einen Über- oder Zunamen mit welchem jemand bezeichnet worden ist, der zuoberst im Dorf oder im Siedlungsraum gewohnt hat. Dieser Zuname blieb dann bei den Nachfahren hängen, auch wenn diese nicht mehr unbedingt „zoberst“ wohnten.
Das Familienwappen, welches im Staatsarchiv in Aarau vorliegt, zeigt einen weissen Rechtsschrägbalken begleitet von zwei sich zugewendeten Monden und zwei Sternen. Es fällt auf, dass das Wappen dieselbe Farbkombination aufweist, wie das Hendschiker Wappen, nämlich blau-gelb!
Übernamen von Hendschiker Familien und Personen
Übernamen hatten und haben in einem Dorf, in welchem zahlreiche Personen mit demselben Familien- und Vornamen leben, eine ganz praktische Bedeutung, denn sie ermöglichen eine klare Unterscheidung.
Wenn ich also von Personen spreche, die ich mit „s’Guggerlis“ bezeichne, dann ist für alle HendschikerInnen klar, welche der verschiedenen Familien Zobrist gemeint sind.
Entsprechend der oben aufgelisteten „alten“ Familiennamen, zeigt sich, dass in Hendschiken vor allem Angehörige der Familien Zobrist, Meier und Baumann Übernamen besasse , welch zum Teil auch heute noch in Gebrauch sind. Mit Unterstützung von alteingesessenen HendschikerInnen gelang es, die folgende Liste mit Übernamen zusammenzustellen:
Familiennamen
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Übernamen
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Wohnhaft / früher wohnhaft
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Baumann
Hermann und Emil
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S‘ Listers
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Eichhof
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Baumann
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S’Becke
oder
S‘ Salzguschtis
(da man bei bei Baumanns
das Salz kaufen konnte)
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Dottikerstrasse 7
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Baumann
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S‘Chaspers
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Schmittengässli 2
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Baumann
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S‘Fritzehanse
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Dintikerstrasse
(Haus steht nicht mehr)
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Baumann Eduard
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Chelle Edi
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Russenhof
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Häusler Fritz
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Bauer und Dichter
(von Beruf war er Metzger!)
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Oberdorfstrasse
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Häusler Willi
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Bammert Willi
(Bannwart)
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Schwarester
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Häusler
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S‘Armepflegers
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Dottikerstrasse
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Huber
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Chorber Huber
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Eichhofstrasse
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Hunziker
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S’Schangeruedis
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Oberdorf
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Hunziker
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S‘ Bammerts
( Bannwart)
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Büel
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Meier Ernst
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Geissbock Meier
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Dintikerstrasse
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Meier
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S‘Wächters
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Schmittengässli
(Haus steht nicht mehr)
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Meier
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S‘ Försters
(Gemeindeförster in 3. Generation)
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Am Bach
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Meier
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Roberli (Berti, Alice …)
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Ahornweg
(Haus ist abgebrannt)
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Meier Ruedi
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Spregel Ruedi
Die Nachkommen: S‘Spregels
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Schmittengässli
(Haus steht nicht mehr)
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Meier
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Chüeffer Hans
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Hauptstrasse 8
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Schmid
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S‘ Süppelers
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Schwarester
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Schmid
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S’Schu(l)meischters
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Schmittengässli
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Senn
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S‘Vrenis
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Maiengrünweg
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Senn Kurt
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Sattler Kurt
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Hauptstrasse
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Senn Kurt
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Trockenfutter Kurt
(da man dort das Trockenfutter
kaufen konnte)
Sentli Kurt
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Wydackerweg
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Zobrist Adolf
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Metzger Dölf
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Hauptstrasse
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Zobrist Adolf
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Dolfi Dolfi
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Bahnhofweg
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Zobrist Hans
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Noldi Hans
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Oberdorf
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Zorbrist Hans
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Tambure Hans
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Dintikerstrasse
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Zobrist Heinrich
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Dolfi Heiri
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Schulweg
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Zobrist Karl
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Zemmermeischter Kari
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Hauptstrasse
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Zobrist Karl
|
Noldi Kari
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Quellenstrasse
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Zobrist
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S‘ Trottmeischters
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Hauptstrasse 1
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Zobrist Walter
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Noldi Walti
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Schmittengässli
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Zobrist
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S‘ Guggerlis
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Dottikerstrasse
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Zobrist Hermann (sen.)
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Bänte Hermi
|
Schmittengässli
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Zobrist Wilhelm
|
Wagner Willi
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Oberdorf
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Zobrist Willi
|
Boppi Willi
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Hauptstrasse
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Zobrist
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S‘Heirimiggels
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Am Bach
(Haus steht nicht mehr)
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Zobrist-Byland
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S‘Bäntesämis
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Mattenstrasse
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Zobrist
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S’Hanseoskis
s’Chrämers
(sie hatten einen Laden)
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Hauptstrasse 4
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Zobrist
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S‘Schniderruedis
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Dintikerstrasse 7
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Zobrist
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S‘Schaube
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Dintikerstrasse
(ehemals „Hebammehuus“,
steht nicht mehr)
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Zobrist
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S‘Gschäftagente
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Oberdorfstrasse
(Haus steht nicht mehr)
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Zobrist
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S‘Murermeischters
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Wydackerweg
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Die Liste der Übernamen zeigt auf, dass sich die Übernamen auf verschiedene Merkmale zurückführen lassen
- auf einen Beruf (Chrämer, Förster, Zimmermeischter),
- den Namen des Vaters (Noldi Walti, Dolfi Heiri) oder der Mutter (s’Vrenis),
- ein Merkmal (s’Spregels, denn ein Vorfahre trug stets eine „gspregleti“ Mütze), ein Amt (Wächter, Bammert) oder eine Tätigkeit (Salzverkauf, Tambure, ….).
Bei einigen der oben angeführten Übernamen, wie z. B. s’Guggerlis, ist die ursprüngliche Bedeutung nicht so leicht erkennbar!
Brigitte Suter-Zobrist (d’Guggerli Brigitte) hat mir erzählt, dass ihr Vater, Ernst Zobrist-Schneeberger, ihr dazu folgende Geschichte erzählt habe: im oberen Teil ihres Wohnhauses (Dottikerstrasse 9) gab es ein Fenster, in welchem sich immer Tauben niedergelassen haben, welche sich mit dem typisch gurrenden Laut „Guggu-guggu“ bemerkbar gemacht hätten. Der lautmalerische Übername blieb dann sozusagen bei den Angehörigen hängen und so heissen sie heute noch s’Guggerlis!
Die Liste ist keineswegs komplett und wenn Sie noch weitere Übernamen kennen oder etwas zu deren Bedeutung erzählen können, dann melden Sie sich doch bitte bei Sabina Vögtli-Fischer.
Literatur:
- Online Familiennamenbuch der Schweiz (http://hls-dhs-dss.ch/famn/?lg)
- Jean Jacques Siegrist, Rupperswil.
Hendschikerinnen und Hendschiker, die mir mit vielen wertvollen Hinweisen und Informationen geholfen haben: Herbert Baumann, Dora Fischer-Hofmann, Hedi Lüthi-Hofmann, Paul Eichenberger, Olga und Hans Meier-Zobrist
Sabina Vögtli-Fischer (2010) |