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Byland & Cie. AG

Die Firma Byland - 77 Jahre flexible Verpackungen


Technik, Tüten, Taschen 

Während Jahrzehnten produzierte die Hendschiker Firma Byland Verpackungen. Die Geschichte dieser Unternehmung bietet einen spannenden Einblick in die Wirtschaftsgeschichte der Schweiz auf lokaler Ebene. Es wird deutlich, wie sich weltwirtschaftliche Veränderungen zum Teil dramatisch schnell auf das Unternehmen auswirken konnten. Die Firma Byland war der Depression der 1930er-Jahre genau so ausgesetzt wie der Dynamik der Hochkonjunktur der 1960er-Jahre. Die Ansprüche der Kunden veränderten sich immer schneller und stärker: Für das Unternehmen stellte sich jedes Mal die Frage, ob grosse Investitionen sich in absehbarer Zukunft rechnen würden. Interessant auch, wie sich die Ansprüche der Kunden an die Tragtaschen verändert haben, oft unter dem Einfluss der Grossverteiler. Die 77 Jahre (1925 bis 2002) der Hendschiker Industriegeschichte weisen einige ganz besondere Merkmale auf. Ulli Iten, Mitglied der Eigentümerfamilie, geht den Spuren des Unternehmens nach.

Am 22. Dezember 1925 kaufte das Ehepaar Marie und Walter Byland-Marti das Warenlager der konkursiten Firma Rud. Ackermann & Cie in Hendschiken. Die Maschinen und Liegenschaften konnten erst im Laufe des Jahres 1926 übernommen werden, da das Konkursverfahren der Vorgängerfirma zuerst abgeschlossen sein musste. Der damalige Maschinenpark bestand aus zwei Kreuzbodenbeutelmaschinen* ohne Druckwerke, einer Schneidmaschine, einer Schnellpresse und verschiedenen Gerätschaften, die sofort wieder verkauft worden sind, da deren Betrieb unrentabel war.

*)Kreuzbodenbeutel sind am Boden über Kreuz verklebt, dadurch können diese auch ohne Inhalt stehen.

Der Aufbau

Die Firma wurde unter dem Namen Byland & Cie als Kommanditgesellschaft gegründet. Unbeschränkt haftende Gesellschafterin und Geschäftsführerin war Marie Byland, während ihr Ehemann Walter bis zum Jahre 1941 bei der Aargauischen Kantonalbank in Aarau angestellt war. Unter der Leitung von Marie Byland wurde der Betrieb Schritt für Schritt aufgebaut. Die Kunden wurden über die neue Leitung informiert und mussten durch einwandfreie Produkte und prompte Belieferung überzeugt werden. Maschinell hergestellt wurden ausschliesslich Kreuzbodenbeutel, in Handarbeit wurden Spitztüten und Samenbeutel geklebt und als Handelsware wurden Pack- und Einwickelpapiere, Torten- und Patisserieschachteln, Kartonteller sowie Schnüre und Bastbänder verkauft. Beschäftigt waren neben Marie Byland und zwei Kommanditären im Aussendienst ein Maschinenmeister, ein Packer und vier Arbeiterinnen. Walter Byland führte bis 1938 die Buchhaltung samt Geschäftsabschluss nebenamtlich und ohne jegliche Bezahlung. Unter grossem persönlichen Einsatz und dank grosser Sparsamkeit konnte der Umsatz allmählich gesteigert und bereits im ersten Jahr ein bescheidener Gewinn erzielt werden.

Marie und Walter Byland entdeckten an der Leipziger Messe 1928 die erste Kreuzbodenbeutelmaschine mit gekoppeltem Flexodruckwerk. Mit dem Kauf dieser Maschine übernahm Byland & Cie eine Vorreiterrolle, denn in der Schweiz gab es keine andere Firma, die Flexodrucke (Flexodruck ist ein Hochdruckverfahren) ausführen konnte. Um Platz für die neue Maschine zu schaffen, wurde ein unzuverlässiger Transmissionsaufzug abmontiert und ein neuer Aufzug an die westliche Aussenwand des Gebäudes angebaut. Dies war die erste bauliche Veränderung der Firma, verschiedene An-, Um- und Neubauten sollten noch folgen. 1931 wurde eine weitere Kreuzbodenbeutelmaschine gekauft - jetzt mit Dreifarbendruckwerk – und wiederum musste das Fabrikgebäude um zwei Etagen im Westen erweitert werden.  Eine Seitenfaltenbeutelmaschine kam in den späteren 30-er Jahren noch hinzu. Während der Krisenjahre 1928 – 1936 wurde in der Firma voll gearbeitet und gute Geschäftsergebnisse erzielt. Dies war nicht zuletzt einigen von Marie Byland persönlich betreuten Grosskunden zu verdanken, welche anregten, die Firma solle sich auf die Herstellung von Schrankrollen und den Druck von Papieren ausrichten. Zu schaffen machte der Firma in jenen Jahren aber vor allem der anhaltende Preiszerfall.

Schwierige Kriegs- und Krisenjahre

In der Vorkriegszeit erhielt der Maschinenmeister die Weisung, eine Arbeiterin mit Flair für das Einstellen von Maschinen zur selbständigen Maschinenmeisterin auszubilden. Dies war ein Segen, denn während der Mobilmachung vor dem 2. Weltkrieg herrschte in der Firma ein ausgesprochener Frauenbetrieb. Ohne Unterbruch wurden Kreuzboden- und Seitenfaltenbeutel  fabriziert, hinzu kam eine Unmenge an Kaffeebeuteln. Der Einkauf während des 2. Weltkrieges gestaltete sich äusserst schwierig, hingegen florierte der Verkauf aufgrund der Papierknappheit. Das Papier war kontingentiert und die mengenmässige Zuteilung entsprach dem Einkauf aus dem Jahr 1939. Ferner gab es noch eine bestimmte Zusatzmenge, welche von den Papierfabriken frei verteilt werden durfte. Die Preise unterstanden der eidgenössischen Preiskontrolle, wurden streng überwacht und die Verkaufspreise in der Papierbranche festgesetzt.

Mit dem positiven Geschäftsgang wurde der Platzbedarf zu einem dringenden Problem. Fabrikvergrösserungen waren damals vom Staat verboten, lediglich Lagerräume durften erstellt werden. So wurde beschlossen, einen Anbau als Lagerraum zu erstellen, diesen jedoch so vorzubereiten, dass später ohne grossen Aufwand Fenster eingesetzt werden konnten. Der Lagerraum wurde 1944 gebaut, der Umbau zum Fabrikationsraum erfolgte dann 1946.

Im Jahre 1947 wurde die Kommanditgesellschaft trotz steuerlicher Nachteile in eine Familien-AG und somit in  eine selbständige juristische Gesellschaft mit Walter Byland als Präsidenten des Verwaltungsrates, umgewandelt. 1952 trat nach der Hochzeit von Tochter Sophie Elisabeth Schwiegersohn Fritz Iten in die Firma ein und übernahm die Leitung des Betriebes von Marie Byland.

Nach dem Krieg – die Strukturänderung

Nach dem Krieg zeichnete sich eine grosse Strukturänderung ab, an die sich die Firma laufend anpassen musste. Mit dem Aufkommen der Selbstbedienungsläden nach dem 2. Weltkrieg veränderte sich die Nachfrage nach Abpackmaterial grundlegend und die Firma Byland musste sich den neuen Herausforderungen stellen. Für die vorab abgepackten Lebensmittel wurden selbst-stehende Beutel gefordert, welche zudem den Beutelinhalt sichtbar präsentieren sollten. Hierfür mussten neue Maschinentypen gekauft werden, zusätzlich wurden Fenstereinklebewerke, gekoppelt mit Druckwerken, notwendig. Da bis anhin noch keine verwandten Maschinen in Betrieb waren, mussten dahingehend über längere Zeit Erfahrungen gesammelt und „geübt“ werden, um zu ansprechenden d.h. rentablen Tagesleistungen zu kommen. Ab 1958 liefen zwei solcher Maschinen auf Hochtouren. Doch findige Maschinenfabriken bauten neue Abfüllanlagen, welche zuerst den Beutel herstellten, diesen abfüllten, zuklebten und anschliessend zu einem Sammelpack umhüllten. Dadurch verlor die Firma auf einen Schlag den Absatz von einigen Millionen Zuckerbeuteln. Der gute alte Papierbeutel hatte ausgedient. Auch die Fabrikation von Schrankpapier musste überdacht werden: der Verbrauch war rückläufig, weil die Tablare nun mehrheitlich mit dem leichter zu reinigenden Kunststoff überzogen wurden. Schliesslich wurde die Produktion von Schrankrollen eingestellt.

Die Papiertragtasche

Anfang der 60er-Jahre wurde mit der Gratisabgabe von Papiertragtaschen in den Läden begonnen. Die Klotzbodenbeutelmaschine erlaubte die Produktion einer selbst stehenden Tasche, welche rationell und zu einem günstigen Preis hergestellt werden konnte. Ein Traggriff-Aggregat ermöglichte in einem zweiten Arbeitsgang das Anbringen von Papierträgern. Bald schon erkannten Werbeleute, dass sich die glatten Seiten der Tragtaschen optimal für Produkte-Werbung eigneten. Damit begann der Siegeszug der Papiertragtaschen. Den Technikern im Betrieb gelang es, eine Maschine derart umzubauen, dass Taschen von maximal 22x10x28 cm fabriziert werden konnten. Im einschichtigen Betrieb  konnten so mit sechs bis sieben Personen ca. 25‘000 Taschen pro Tag produziert werden. Jedoch eröffneten sich auch für die Maschinenhersteller neue Märkte. Es wurden Maschinen angeboten, welche die Herstellung von grösseren Formaten erlaubten und bedeutend schneller arbeiteten. Auch die Traggriff-Aggregate wurden verbessert. Taschen mit 26 cm Breite wurden von den Grossverteiler-Organisationen als Normtasche bezeichnet. Mit der bisherigen Maschine war die Firma jedoch nicht in der Lage, diese Tasche anzubieten. Nun musste entschieden werden, ob das Papiertragtaschengeschäft aufgegeben werden sollte, die herkömmliche 22 cm Tasche beibehalten oder eine Anlage angeschafft werden sollte, welche die Normtasche herstellen konnte und zugleich wesentlich schneller lief. Der Entschluss musste gut überdacht werden, denn zu dieser Zeit wurde das alte Bürogebäude durch einen neuen, grosszügigen Verwaltungs- und Fabrikationstrakt ersetzt, um auch für die sich schnell entwickelnde Kunststoff-Verarbeitung  gerüstet zu sein.

1969 fiel der Entscheid zugunsten der neuen Maschine. Mit nur vier Personen konnte nun je nach Format 50 – 70‘000 Taschen pro Tag fabriziert und der Henkel im gleichen Arbeitsgang gefertigt werden. Die Rezession in den 70-er Jahren bremste den Tragtaschenboom von einem Tag auf den andern. 1972 beschloss die Migros, die Taschen nicht mehr gratis abzugeben. Andere Grossverteiler folgten dem Beispiel. In der Schweiz ging der Umsatz schlagartig auf 25% zurück. Nach diesem Tief begann das Papiertragtaschengeschäft dank gewachsenem ökologischen Bewusstsein und dank Promotion jedoch wieder anzuziehen. Zudem hatten sich die Endverbraucher an die Bezahlung der Tragtaschen gewöhnt.

Der Kunststoff

In den 60-er Jahren erwuchs dem Papier ernsthafte Konkurrenz durch das Cellophan. Klotzbodenbeutel aus Cellophan ermöglichten, wie schon erwähnt, die bessere Präsentation von Lebensmitteln. Mit Verbundfolien und beschichtetem Papier  versuchte die Firma Byland im Geschäft zu bleiben, doch liessen sich die gesuchten Grossauflagen nicht finden. Zu viele Abfüller verwendeten bereits Anlagen, die ab Rolle arbeiteten und keine Beutel mehr benötigten. Kunststoff, genauer gesagt Polyäthylen (Poly) begann billig zu werden. Zudem war er neu, glänzend attraktiv und wiederverwertbar. Eine gründliche Marktanalyse veranlasste die Geschäftsleitung, 1966 ins Kunststoffgeschäft einzusteigen, wobei sie sich auf die Herstellung von Tragtaschen beschränkte. Von der neuen Ausrichtung begeistert, wurde beschlossen, das vielseitigste Angebot an Poly-Tragtaschen zu führen. Das Sortiment umfasste die Tasche mit ausgestanztem Handgriff, die Tasche mit Steg und Griffbügel, die Tasche mit Textil-Regenschutzkappe, die Tasche mit flexibler Schlaufe und die patentierte Zweiweg-Kehrichttasche. Bereits acht Jahre nach Inbetriebnahme betrug der Anteil der Kunststoffverarbeitung 40 % des Umsatzes und die Firma beschäftigte rund 70 MitarbeiterInnen. Um der erweiterten Produktion gerecht zu werden, wurden Anfang der siebziger Jahre die 2500 qm grosse Hornerhalle gebaut sowie die bestehende Bahnhofhalle auf 1000 qm erweitert.

Fortschreitende Technik

Die Drucktechnik erlebte in den folgenden Jahren eine grundlegende Innovation. Wurden bis anhin die Verpackungen mit einfachen Schriftzügen versehen, verlangte der Markt nun, dass vierfarbig aufgelöste, fotoähnliche Sujets mit zusätzlich definierten Farben für das Firmenlogo zu drucken seien. Die Firma Byland investierte mutig in diese neue Technologie und erwarb eine teure Sechsfarben-Zentralzylinder- Druckmaschine. Dadurch erlangte sie erneut eine marktführende Position im Flexodruck.

Just in time


Anfang der neunziger Jahre beherrschte das Schlagwort „just in time“ den Weltmarkt, welches auch die Schweiz erfasste. Dies bedeutete für die Hersteller, dass sie die Lagerhaltung und -bewirtschaftung für ihre Kunden übernehmen mussten. Die Firma Byland agierte frühzeitig und schuf mit dem Bau der „Halle 92“ zusätzliche Lagerkapazitäten von ca. 3500 qm. Dadurch gelang es der Firma, die Kunden an sich zu binden. Die Kunden waren jedoch nicht bereit, für diese Zusatzleistungen aufzukommen.

Konzentration von Einkaufspotenzial


Die beginnende Globalisierung hatte zur Folge, dass sich auch langjährige Kunden zu einem Zusammenschluss gezwungen sahen. Anfang der 90-er Jahre verkaufte die Firma Byland ihre Produkte z.B. an ca. 25 unabhängige Genossenschaften eines Grossabnehmers. Innerhalb eines Jahrzehnts wurde der Einkauf auf eine zentrale Stelle reduziert. Dies bedeutete zum einen, dass der Grossabnehmer nun für die europäische Konkurrenz viel interessanter wurde. Zum anderen stellte sich die Frage, ob bei Erhalt eines nun vielfach bedeutenderen Auftrages die Firma mit ihrer Grösse überhaupt in der Lage sei, diesen zu bewältigen. Die zentrale Frage war jedoch die Risikobewertung bei Nichterhalt eines Auftrages.  Wie konnten dann die Maschinen ausgelastet respektive die MitarbeiterInnen beschäftigt werden?

Der geordnete Rückzug vom Markt


Im Zusammenhang mit dieser gewaltigen Strukturveränderung des Marktes stand die Firma Byland vor einer weiteren Entscheidung. Entweder grosse Investitionen in den sich rasant entwickelnden Druckbereich zu tätigen, mit dem jedoch die Zukunft des Betriebes keinesfalls gesichert war, oder sich geordnet vom Markt zurückzuziehen. Die Geschäftsleitung fasste schliesslich den schweren Entscheid, sich zurückzuziehen. Durch diese Massnahme hatten die Mitarbeitenden ein Jahr Zeit, sich auf die neue Situation einzustellen. 2002 ging eine 77-jährige Firmengeschichte in Hendschiken zu Ende.

Text: Ulli Iten

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Jubiläumsbroschüre '50 Jahre Byland & Cie. AG' aus dem Jahre 1975
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