Russenhof
Gleich vorneweg ist zu erwähnen, dass die Herkunft und die Bedeutung des Gebäudenamens ein Rätsel bleibt. Räber erwähnt in seinem Buch, dass es im Freiamt (Muri) ein ähnliches Gebäude mit gleicher Bezeichnung (Russischer Hof) gegeben habe.
Das Haus wurde vor dem Abbruch (1992) noch genau erforscht. So konnte z. B. festgestellt werden, dass das Holz, welches für die Deckenbalken des gemauerten Stocks (ältester Teil des Hauses) verwendet wurde, um 1513 gefällt worden sein muss! Die Bauhölzer aus dem Kernbereich stammen aus den Jahren 1559-1601, jene aus der östlichen Erweiterung von 1695/96. Die Datierung verschiedener anderer Teile des grossen Hauses (12,50 x 27 m) zeigen auf, dass das ursprüngliche Gebäude im Laufe seiner Geschichte zahlreiche Erweiterungen und Aufteilungen erfahren hat.
Den ältesten Teil des Hauses bildete, wie bereits erwähnt, der in der Nordostecke des Russenhofs gelegene steinerne Stock (Abb. X und Y), welcher aus dem ersten Viertel des 16. Jahrhunderts stammte. Es ist anzunehmen, dass der Stock einst als freistehendes speicherartiges Gebäude bestanden hat, welches zu einem späteren Zeitpunkt in das neu erstellte Strohdachhaus einbezogen worden ist. Der Kernbau des strohbedeckten Hochstudenhauses entstand um 1600. Zum ursprünglichen Grundriss lassen sich keine gesicherten Aussagen machen, doch es ist anzunehmen, dass der Russenhof um 1600 als stattliches „Gehöft mit grosszügig bemessenen Wohn- und Wirtschaftsräumen“ errichtet wurde. Im südlichen Teil des Hauses waren die Stube, die Nebenstube und ein drittes Gemach untergebracht, während der gesamte rückwärtige Bereich von der Rauchküche (zweigeschossig) eingenommen wurde. Die sog. Ökonomie dürfte aus Tenn und Ställen bestanden haben und an beiden Stirnseiten des Hauses waren zudem einfache Remisen (für Landwirtschaftgeräte und Brennholz) angebaut. Ob der Gewölbekeller schon damals existiert hat oder erst 1676 hinzugefügt wurde (Datum am Kellerportal), lässt sich nicht mehr feststellen.
Zusammenfassend kann hervorgehoben werden, dass der Russenhof mit seinen grosszügigen Raumverhältnissen ein Haus der dörflichen Oberschicht darstellte.
Aus dem 17./18. Jahrhundert datiert die Erweiterung und die Aufteilung des Russenhofs. An der Südostecke wurde ein zusätzlicher Wohnraum (1695/96) und auf der gegenüberliegenden Seite ein Anbau (1715) angefügt. So entstanden zwei getrennte Wohnungen, welche beide über eine eigene Küche mit Herdstelle verfügten. Räber sieht in der Aufteilung und Erweiterung des Russenhofs einen Hinweis auf den im 17. Jahrhundert zunehmenden Bevölkerungsdruck und die daraus resultierende Bodenverknappung.
Im 18. Jahrhundert wurde auch an der Westseite ein Anbau gemacht und zwar um eine Raumbreite. So konnten an der Südwestecke eine zusätzliche Wohnung und an der Nordwestecke ein kleiner Stall eingerichtet werden.
Der Grundriss zeigte nun zwei ostseitig angelegte, quer zum First geteilte Wohnungen, gefolgt vom Ökonomietrakt mit drei Ställen, zwei Futtergängen und dem gemeinsam genutzten Tenn. An der Südwestecke schloss sich eine dritte, kleinere Wohnung an.
Das Haus blieb übrigens bis ins Jahre 1929 mit Stroh bedeckt.
Es fehlen Angaben zu den ursprünglichen Besitzverhältnissen, d.h. wir wissen nicht, wer das Haus erbaut hat. Im ersten verfügbaren Brandkataster von 1828 sind dann bereits drei Eigentümer aufgeführt, nämlich:
- Jakob Meier (A) - Hartmann Zobrist (B) - Johannes Aeschbach, Schulmeisters (C)
Sehr interessant sind auch die Angaben aus der 1850 erstellten Bevölkerungstabelle von Hendschiken. Darin steht, dass im Russenhof 18 Personen leben, von denen sieben im Wohnteil A (Meier), sieben im Wohnteil B (Zobrist) und vier im Wohnteil C (Aeschbach) lebten. Es handelte sich bei den erwachsenen Personen um Handwerker (Wagner, Leinenweber, Steinhauer und Steinbrecher), Kleinbauern und Tagelöhner.
(Angaben, Bilder und Zitate stammen aus: Die Bauernhäuser des Kantons Aargau. Fricktal und Berner Aargau, von Pius Räber, Schweizerische Gesellschaft für Volkskunde, Basel 2002)
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